Let 3 (Kroatien)

Kroatien, das Land, das uns in den letzten Jahren mit geschmackvoller Langeweile beglückte, probiert es 2023 mit dem kompletten Gegenteil. Let 3 hat weder etwas mit Geschmack noch mit Langeweile zu tun, viel mehr regiert hier das provokative Chaos.

Mit ihrem Song „Mama šč“ – an dieser Stelle viel Spaß an die Podcaster (d, m, w), beim Aussprechen des Titels – und einer provokativen Inszenierung, die lediglich durch ihre Kriegssymbolik und Nacktheit im Gedächtnis blieb, konnte die Band den kroatischen Vorentscheid „Dora“ für sich entscheiden.

Sie haben somit 17 weitere Acts hinter sich gelassen, darunter auch Damir Kedzo, der Dora 2020 gewann, dann jedoch nicht beim ESC auftreten durfte, da dieser wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde.

Sieg auf allen Ebenen

Das Ergebnis setzt sich zu je 50 Prozent aus Jury- und Publikumspunkten zusammen. Nachdem die Jurywertungen verkündet wurden und Let 3 bereits mit 105 Punkten vor Detour (73 Punkte) auf Rang 1 lagen, wurde Europa klar, dass die Truppe gute Chancen auf einen Sieg hat, denn wenn die Jury solche Spaß-Nummern nicht verhindert, wer dann? Als dann die Publikumspunkte hinzuaddiert wurden, musste man feststellen, dass selbst ein letzter Platz im Jury-Voting Let 3s ESC Teilnahme nicht verhindert hätte. Mit sage und schreibe 174 Televoting-Punkten erreicht die Band beim Publikum mehr Punkte, als der zweitplatzierte Act, Harmonija Disonance, mit 155 Punkten insgesamt erzielen konnte.

Dora 2023 – Die Top 5         

Platzierung

Band

Song

Publikum

Jury

Gesamt

1

Let 3

Mama šč

174

105

279

2

Harmonija Disonance

Nevera (Lei lei)

88

67

155

3

Detour

Master Blaster

41

73

114

4

The Splitters

Lost and Found

60

50

110

5

Damir Kedzo

Angels and Demons

59

44

103

Die sechsköpfige Band Let 3 kommen aus Rijeka. Nach ihrer Gründung Mitter der 80er Jahre wurden sie, aufgrund ihrer verstörenden und anstößigen Auftritte, schnell zu Helden der jungen Generation und der aufbrechenden jugoslawischen Musikszene.

Wie „speziell“ die Combo wirklich ist, möchte ich in einem kleinen Zeitstrahl verdeutlichen.

1997 veröffentlichte die Band das Album „Nečuveno“, das sich jedoch nur 350x verkaufte. Was vielleicht weniger verwundert, wenn man erfährt, dass nichts auf der CD zu hören war. Das Album war lediglich ein Stück Plastik.

In den frühen 2000ern inszenierten sie Selbstmorde, die durch ein Erschießungskommando durchgeführt wurden. Diese haben die Band auf dem Ban-Jelačić-Platz, im Zentrum Zagrebs „hingerichtet“.

Mitte der 2000er veröffentlichten sie ein Video zum Song „rado ide srbin u vojnike“, in dem sie in serbischen und bulgarischen Trachten nebeneinandersitzen und allesamt onanieren.

Ende der 2000er sorgten sie in der Talk-Show Nedjeljom u 2 für einen Abbruch der Sendung. Denn nachdem der Moderator das Verhalten der Band als unangemessen bezeichnete, reagierten zwei Bandmitglieder darauf, in dem sie vor laufenden Kameras “rauchende” Korken aus ihren Hintern pressten.

Quelle: Hrvatska radiotelevizija

15 Jahre später steht diese Truppe also nun beim ESC Vorentscheid auf der Bühne in Outfits mit militärcharakter. Der Frontmann erinnert an eine Rosa-Hitler-Version und im Hintergrund werden zwei Atomraketen auf die Bühne getragen.

Und zum ersten Mal muss ich die Bild-Schlagzeile von 1998 bemühen und euch fragen: „Darf diese Gruppe für Kroatien singen?“

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