Norwegen zelebrierte den Vorentscheid auch in diesem Jahr wieder wie kaum ein anders Land. Mit grandiosen Shows, tollen Moderator_innen und einem abwechslungsreichen Lineup bewiesen sie Woche für Woche, dass sie das Zeug haben, Favoriten wie The Roop vom Thron zu Schupsen.
Gestern war es dann endlich so weit, das lang ersehnte Finale stand an. Wer mir auf meinen Kanälen folgt, dem erzähle ich jetzt nichts Neues, aber Norwegen war mein Highlight der Saison. Kein Land überzeugte mich mehr. Einige Perlen schieden schon im Vorfeld aus, aber das Finale war dennoch unglaublich stark. Ich hatte zwei klare Favoriten, die ich gerne im Mai beim ESC gesehen hätte. Vier weitere Lieder, die ich auch sehr gut fand. Auch hier hätte ich mich über einen Sieg gefreut. Bei zwei weiteren Acts hätte ich die Wahl auch noch verstanden, auch wenn sie nicht mein Fall waren, aber was war das gestern bitte?! Norwegen wählt zielsicher meinen letzten Platz. Nicht den letzten Platz vom Finale, sondern den absolut letzten Platz von ALLEN Beiträgen. Norwegen, meine Perle des ESC Jahrgangs, votet sich auf meinen letzten Platz.
Aber wie lief das Finale überhaupt ab?
Eröffnet wurde das Finale von Ulrikke, die mit ihrem ESC 2020 Song „Attention“ eindrucksvoll unter Beweis stellte, wie fantastisch sie ist. Im zweiten Teil der Powerballade hat sie mit einem Uptempo-Wechsel für eine Überraschung gesorgt und einen Vorgeschmack auf ihre tänzerischen Fähigkeiten gegeben, die sie später erneut zur Schau stellte, als sie ihre neue Single während der Abstimmungsphase präsentierte.
Dann folgten alle zwölf Auftritte. Raylee konnte die Schmerzen, ausgelöst durch ihre Fußverletzung, die sie sich bei den Proben zuzog, überspielen und überzeugte mit ihrer 80er-Retro-Nummer. Leider entschied sie sich für einen optischen Stilwechsel. Ihr Auftreten erinnerte mehr an den 2020 Auftritt, als an ihre Vorrunden-Auftritte, was ich schade fand. Insbesondere bei der Wasser-Szene wirkten die offenen Haare viel besser. Auch KEiiNO entschied sich für einen Kostümwechsel, was hier jedoch zu einer optischen Steigerung führte. Die hellen Kleider waren vom Stil ähnlich wie die der Vorrundenshows, wirkten jedoch weniger militärmäßig. Gute Entscheidung! Stimmlich war die Show mal wieder Alexandras One-Woman-Show. Klar, alle drei sind toll und nur zusammen kann das Lied so wirken, wie es eben wirkt. Aber Alexandras Stimme hat mich gestern erneut umgehauen! Kiim schmetterte ebenfalls alle an die Wand. Gefühlvoll, beeindruckend, fantastisch. Alle Teilnehmer_innen waren in Höchstform. Es gab keine Ausrutscher, keine Enttäuschungen.
12 – 4 – 2 – 1
Im Gegensatz zu andern Auswahlshows (Hust, Spanien…) verging die Zeit wie im Flug. Norwegen hat sich nicht gehetzt, aber hat die Show auch nicht künstlich aufgeblasen. Und so hatten wir dann auch schnell die Top4 auf der Bühne stehen. Neben den Fan-Favoriten KEiiNO und dem norwegischen Star Tix, schaffte es die lässige und beliebte Blaskapelle Blåsemafian unter die letzten vier Finalisten. Für eine Überraschung sorgte Jorn, der durch die Zweite-Chance-Show ins Finale nachrückte und nun auch zu den beliebtesten vier Acts gehörte. Der findige Eurovisionär stellt fest, dass alle vier Finalisten bereits in der ersten MGP Ausgabe, am 16. Januar, auf der Bühne standen. Viel Lärm um Nichts? Nein, denn ohne die weiteren Shows hätten wir einige Meisterwerke nicht kennengelernt und die Samstage im Januar und Februar wären bedeutend langweiliger gewesen.
Nach einer weiteren Votingphase standen die Top2 fest. Wenig überraschend waren es die ESC-Stars KEiiNO und der in Norwegen gehypete Tix. Nachdem beide noch einmal ihr Können unter Beweis stellten, wurde ein letztes Mal abgestimmt. Und was soll ich sagen? Alle Tiele des Landes wählten die Nummer mit den Flügeln. Ein Lied, das so Flach ist, dass es selbst nach 10maligem Hören noch nicht hängen geblieben ist. Wären nicht die albernen Flügel, die SM-Ketten-Sklavenengel Einlagen, der bescheuerte Mantel und das komische Stirnband, hätte ich mich jedes Mal aufs Neue gefragt, ob ich diesen Beitrag zum ersten Mal sehe. Sorry Norwegen, aber das war echt keine gute Wahl.
Tix für Norwegen
Tix ist bekanntgeworden, da er Partymusik produzierte, die von Teenies bei ihren Abschlussfeiern genutzt wurden (Russfeiern gennant). Diese Veranstaltungen haben in Norwegen eine Tradition und sind dort auch sehr populär. Seinen Künstlernamen bekam er schon zu Schulzeiten, da er Tourette hat und der Spitzname „Tics“ auf das Krankheitsbild abzielte. Er sprach im weiteren Verlauf seiner Karriere über Depressionen und Suizidversuchen. Darüber schrieb er einen Song, mit dem er Betroffenen helfen wollte. Später versuchte er sein Image zu verändern, da er nicht länger der alberne Partyvogel sein wollte (was ja scheinbar gut funktioniert hat?!). Um dies zu erzielen, nahm er bei der „seriösen“ und „anspruchsvollen“ Dating-Show „Paradise Hotel“ teil. Letztes Jahr saß er in der norwegischen Castingshow „Idol“ (hierzulande DSDS) und auch als Songschreiber erzielte er einen Welterfolg: „Sweet but Psycho“ von Ava Max stammt aus seiner Feder. Der Mann kann also einiges und singt dann trotzdem ein Lied, das belangloser nicht sein könnte. Schade eigentlich, aber das war die Enttäuschung der Saison. Für mich wird es im Mai heißen „Sorry Norway, zero Points!“