Warum Australien beim ESC dabei ist, muss man als ESC-Ultra mittlerweile nicht mehr ganz so oft dem unwissenden Umfeld erklären, aber warum Deutschland dieses Jahr gleich zwei Metal-Bands ins Rennen schicken darf, das ist für viele ein Mysterium, welches es zu lüften gilt.
Für Australien Startet Voyager, die mit ihrem Song „Promise“ direkt nominiert wurden. Während sie sich im letzten Jahr im australischen Vorentscheid noch Sheldon Riley geschlagen geben mussten, entschied sich SBS, der federführende Sender, in diesem Jahr direkt für die Band rund um Sänger Daniel Estrin. Die Band besteht seit 1999 und stammt aus Perth, die Hauptstadt der australischen Bundesstaates Western Australia.
Aber Daniel Estrin ist nicht „nur“ Sänger und Rockstar, er ist auch Anwalt mit dem Schwerpunkt Einwanderungsrecht. Das wiederum kommt nicht von ungefähr, denn auch er ist Einwanderer. Geboren wurde er nämlich in Deutschland, genauer gesagt in Buchholz in der Nordheide. Dennoch hat er die Verbindung zu seiner alten Heimat nie ganz verloren, wie er mir im Interview verraten hat. Außerdem sprachen wir über seine Favoriten des diesjährigen Teilnehmerfeldes und darüber, was „Promise“ in Menschen auslösen kann.
Lieber Daniel, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Wie geht es dir denn aktuell, jetzt da der ESC immer näher rückt und der Trubel immer mehr an Fahrt aufnimmt?
Es wird immer spannender. Ich fühle mich aber ziemlich vorbereitet, muss ich sagen, mit den PrePartys und den ganzen Pressearbeiten und Interviews, die wir schon gemacht haben, denke ich, dass wir bereit sind! Ich freue mich jetzt auf die Proben und darauf, endlich in Liverpool zu sein und am meisten freue ich mich schon darauf, die anderen Künstler wiederzusehen. Das wird sehr sehr schön sein!
Was bedeutet der ESC denn für dich? Das alles ist ja nicht komplett neu für dich.
Für mich war der ESC schon immer eine wichtige Sache in meinem Leben, schon von ganz früh an. Ich habe schon immer ESC Schallplatten gehört, von meiner Mutter. Ich erinnere mich zum Beispiel an Teach-In „Ding-A-Dong“, das war auf einer hellblauen Doppelschallplatte, die sie hatte. Das fing also schon sehr früh an. Und dieses Melodiöse, was immer sehr hervorsteht, besonders bei den früheren ESC Künstlern und bei den Songs, das ist immer bei mir geblieben. Auch als wir dann nach Australien ausgewandert sind, hatten wir z.B. auch an der Uni ESC-Partys und letztendlich war ich dann auch vor Ort als Fan, 2019 in Tel Aviv und habe das alles live erlebt. Ich muss sagen, das hat mich alles sehr beeindruckt. Ja, ich muss wirklich sagen: ESC ist, wenn ich so zurückblicke ein viel wichtigerer Teil meines Lebens als ich zuerst gedacht habe. Es hat mich stets begleitet.
Und nun bist du mittendrin, mit deiner Band und eurem Song „Promise“. Worum geht es darin?
„Promise“ handelt davon, dass es manchmal etwas chaotisch ist, in der Welt und dass alles etwas instabil wirkt und da braucht man einfach jemanden, der einem sagt: „Hey, du, das wird schon. Das wird schon alles irgendwie gut!“ und ich glaube das können wir alle verstehen und auf jede Situation anwenden und ich glaube auch, dass viele so einen Zugang zum Song finden werden. Ich habe beispielsweise Mails bekommen von Müttern, die schwerbehinderte Kinder haben und die mir sagten: „Der Song hilft mir, wenn es mal zu schwer wird, einfach das mir irgendjemand sagt, das wird schon!“. Ich habe einen Brief bekommen von einer Mutter, die hat ein autistisches nonverbales Kind und das reagiert auf den Song. Und solche Sachen, das kann man sich gar nicht vorstellen als Künstler, dass der Song die Leute so trifft und auch bewegt. Da freue ich mich einfach ungemein! Ich erinnere mich auch an einen Diplomaten der Australischen Botschaft in Holland, als wir dort vor Kurzem ein Konzert gespielt haben, der meinte zu uns „Das ist der perfekte Song für Europa momentan, weil es gerade instabil ist und viele wissen nicht, was geschieht und wie es weitergehen wird.“ Das freut mich, dass der Song diese Wirkung erzielt, obwohl wir selbst gar nicht daran gedacht haben, als wir ihn aufgenommen haben. Ja, das freut mich ungemein!
Wow, das sind in der Tat beeindruckende und berührende Geschichten! Aber ich möchte nochmal kurz ein paar Schritte zurückgehen, auf eurer ESC Reise. Bereits im letzten Jahr habt ihr euch beworben und wart beim australischen Vorentscheid dabei, dieses Jahr wurdet ihr direkt nominiert. Wie kam es dazu?
Ganz ehrlich gesagt: Wir haben uns als Gewinner gefühlt, letztes Jahr! Wir haben niemals gedacht, dass „Dreamer“ und Voyager beim Vorentscheid soweit kommen könnte, von daher war das eine gute Übung für uns. Und als dann der Anruf für dieses Jahr kam, haben wir sofort gesagt: „wir sind bereit!“ und „Promise“ ist ein Song, der wirklich für den Eurovision gemacht ist und deswegen ist das ein ideales Timing! Wir freuen uns unglaublich und ich finde, wir haben es auch verdient.
Absolut! Und gerade in der deutschen ESC Bubble war „Dreamer“ extrem beliebt. Du bist ja hier in Deutschland geboren. Wann seid ihr ausgewandert und bist du, abgesehen von der ESC-Promotour auch noch ab und an in Deutschland?
Wir sind 1992 ausgewandert und ich habe in Australien auch studiert, ich habe aber eigentlich den Bezug zu Deutschland immer aufrechterhalten. Ich habe in Deutschland eine kurze Zeit studiert und auch in Berlin gearbeitet. Ich versuche auch so oft wie möglich in Deutschland zu sein. Wie ja auch jetzt. Ich habe gerade eine Tour von Buchholz in der Nordheide gemacht, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe mir ein Auto gemietet und habe dann meine Kindheitsstätten abgeklappert. Das war richtig schön!
Ach wie cool, das entschleunigt den ESC-Trubel sicherlich ein wenig. Deutschland schickt also somit quasi zwei Rock- bzw. Metal-Sänger ins Rennen. Konntet ihr Lord of the Lost schon persönlich treffen? Wenn ja, wie lief das treffen ab?
Ja, Lord of the Lost, ganz nette Jungs! Wir haben sie bereits kennengelernt. Aber ganz ehrlich gesagt, ja es ist die Stilrichtung bzw. Kategorie „Metal“, aber die Songs sind so unterschiedlich und das finde ich, ist das Schöne daran, dass Leute die Songs hören und sagen: „ich mag eigentlich gar kein Metal“, aber dann die Songs hören und sagen, das mag ich und das vielleicht nicht. Ich mag vielleicht den German-Gothik-Glitzer-Metal oder ich mag lieber den australischen Synthwave-Pop-Metal. Und das Schöne ist ja, dass es in dieser Sparte so viele Subkategorien gibt, dass für jeden etwas dabei ist. Ich hoffe dieses Jahr ist das Jahr bei dem dann alle sagen: „Hey, Metal, das höre ich mir nochmal an!“
So geht es mir tatsächlich. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel Metal gehört habe, wie dank euch und Lord oft he Lost. Aber erweitern wir mal den Blick auf den ganzen Jahrgang. Welcher Act ist dein Favorit und warum?
Mein Lieblingssong dieses Jahr, also ich habe viele Lieblingssongs dieses Jahr. Das ist echt ein Problem, weil ich ja selbst ein riesen ESC Fan bin. Ich liebe Reiley. „Breaking my Heart“ ist einfach so geil produziert. Das Poppt einfach aus den Lautsprechern. Ich liebe es, es ist einfach immer mein Go-To, auch gerade jetzt beim Autofahren. Österreich, einfach fantastisch! Teya und Salena sind super Künstlerinnen und super Sängerinnen und einfach geniale Menschen. Der Song ist genial, die Message ist genial. Einfach alles super und richtig gut ausgeführt. Vesna, Tschechien haben einfach einen klasse Song. Der berührt mich immer. Er wird ja auf den vier Sprachen gesungen. Neben Englisch glaube ich auf Bulgarisch, Ukrainisch und Tschechisch und das berührt mich immer. Das ist einfach ein fantastischer Song, der dem Motto „United by Music“ sehr nahesteht. Und was mag ich noch? Gustaph ist geil, Zypern ist geil, den Song haben wir auch gecovert, Finnland ist natürlich der Hammer. „Queen of Kings“ ist super oder Diljiá mit „Power“ für Island, das ist einfach der Hammer, wie sie das rüberbringt. Du merkst, es gibt zu viele, ich weiß einfach nicht!
Oh ja, Zypern. Ein alter Wegbegleiter von euch. Er war ja auch letztes Jahr im Vorentscheid und euer Cover ist absolut hörenswert. Deine ESC Reise ist ja wirklich lang, wenn man dir so zuhört, spürt man richtig deine Begeisterung für das Event. Was war denn bisher dein liebster ESC Moment?
Mein liebster Moment beim ESC ist 2006 Silvia Night, das ist die absolute Knaller-Performance. Und dann, ich muss sagen, einfach da zu sein, 2019. Ich erinnere mich, einer meiner Lieblingssongs war KEiiNO mit „Spirit in the Sky“ für Norwegen und ich war da, ich war vorne und ich war einfach nur Fan und dann kam plötzlich Will Ferrell auf die Bühne und sagt: „Hey, wir drehen jetzt hier einen Film“, das war ganz komisch. Wenn ihr ganz, ganz, gaaaanz nah reinguckt, in den Film, bin ich irgendwo ganz, ganz klein im Publikum mit meiner weißen Jacke.
Ach, da muss ich doch gleich direkt nochmal in den Film gucken, ob ich dich entdecke! Aber apropos Bühne. Ich weiß, die Frage kommt oft und ich weiß, die Künstler können und wollen nie aus dem Nähkästchen plaudern, aber kannst du schon was zur Bühnenshow verraten? Was erwartet uns im Mai?
Ja, die Stage-Show ist natürlich so ne Sache, da kann ich natürlich noch nicht ganz so viel verraten, aber es wird ein kleines „Extra“ geben. Wir bringen ein „Extra“ für die Show mit, leider passt ja kein Traktor auf die Bühne, aber das überlassen wir dann unseren Freunden von Let3. Ja, aber die Sache ist ja, wenn man eine Band ist, darf man nicht zu überschwänglich sein, weil wir sind ja schon fünf Leute, d.h. wir müssen viel mit Lichtspiel und Lichttechnik arbeiten, um nicht drei Minuten lang einfach nur Pyrotechnik zu haben. Ich meine, das könnte man auch machen, aber das steht dem Song dann eben im Weg und der Song selbst muss als eine „Voyage“ quasi, als eine Reise des Protagonisten dastehen und deswegen denke ich, es wird auf jeden Fall cool und es wird auf jeden Fall 80er- und snythwave-mäßig, aber natürlich mit der metallischen Härte die wir dann eben auch wollen.
Wir sind schon sehr darauf gespannt und freuen uns drauf! Viel Erfolg und vor allem viel Spaß im Mai!
Abschließend habe ich Danny noch gefragt, ob er für euch eine Grußbotschaft loswerden möchte und diese will ich euch natürlich im O-Ton servieren:
Und um herausfinden zu können, ob ihr „Promise“ 10 oder 12 Punkte geben wollt, könnt ihr hier nochmal in den Song reinhören.