Max Mutzke – Liverpool ist schuld, dass ich dieses Jahr noch mal dabei bin.

Selten war ich in der Situation, über einen Teilnehmer des deutschen Vorentscheids so viel sagen zu können und zugleich so wenig sagen zu müssen. Man muss nur seinen Namen nennen und schon kann die Unterhaltung starten: „Ach, der MAX MUTZKE!?“ – Ja, genau, der „Max Mutzke“ will es erneut wissen. Vor 20 Jahren bewarb sich der noch völlig unbekannte Musiker bei der durch Stefan Raab ins Leben gerufenen Castingshow SSDSGPS, in der Stefan einen neuen „Super Grand Prix Star“ suchte und fand. Max sang sich in die Herzen der Zuschauenden und so über den deutschen Vorentscheid nach Istanbul. Mittlerweile kann er auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Acht Studioalben, zwei Livealben, Gold- und Platinplatten, 1 Live Krone, Goldene Stimmgabel. Die ESC-Fans forderten erfahrene Künstler, der NDR liefert erfahrene Künstler! Aber neben seiner musikalischen Laufbahn, die ihn in Shows wie den „Bundesvision Song Contest“, „Dein Song“ oder „The Masked Singer“ führte, zeigte er auch in Spielshows wie „Schlag den Star“, dass er ein Gewinnertyp ist. 2021 moderierte er seine eigene Show „Lebenslieder“, bei der er eine ganz neue Seite von sich zeigen konnte. All diese Erfahrungen fließen in seinen Bühnenauftritt beim deutschen Vorentscheid mit ein. Wie dieser aussehen wird, warum er Conchita und Joy Fleming bewundert, weshalb Süßigkeiten eine Herausforderung sein können und welche Rolle Liverpool in seinem Leben spielt, waren Themen, über die wir im Interview gesprochen haben.

Max Mutzke ESC
Max Mutzke (Quelle: Dirk Messner)

 

Lieber Max, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Deine Karriere startete mit dem ESC. Wie kam es dazu, dass du dich dieses Jahr erneut beim deutschen Vorentscheid beworben hast?

Also ich war letztes Jahr das erste Mal nach meiner eigenen Teilnahme beim Grand Prix 2004 in Istanbul wieder mit dem Grand Prix in Berührung gekommen. Und zwar war ich in der Pre- und Post-Show mit und von Barbara Schöneberger auf der ARD. Wir waren live vor Ort in Liverpool. Wir waren dazu drei Tage in dieser Stadt. Wir hatten bestes Wetter. Ich war noch nie in der Stadt der Beatles. Ich hatte meine Freunde und meine Lebensgefährtin dabei und wir hatten eine unglaublich gute Zeit dort gehabt, aber vor allem ist mir aufgefallen, wie unglaublich wertvoll diese Veranstaltung ist. Es ist ja die größte Musikveranstaltung der Welt. Und was mich beeindruckt hat, war, dass alle Nationen aufeinandergetroffen sind, alle Hautfarben aufeinandergetroffen sind. Es war so unglaublich divers, dieses Publikum und die Menschen in der Stadt und alles war ganz, ganz friedlich. Die Menschen lagen sich in den Armen, sie haben miteinander gefeiert, sie haben miteinander gesungen und trotzdem hatten sie ihre Flagge um die Schulter und den Namen ihres Acts oder der Künstlerin oder des Künstlers und es war einfach total voller Toleranz und Zuneigung. Man hat für das Gleiche gekämpft und es war einfach fantastisch. Die Welt zeigt uns ja gerade an allen Ecken und Enden, dass es auch anders sein kann und das eben gerade verschiedene Religionen und Nationen nicht miteinander auskommen. Und das die Toleranz Andersdenkender, Andersliebender immer mehr zurückgeht, aber genau diese Veranstaltung zeigt, dass das eben funktioniert und mit einem ganz großen Wohlwollen. Das hat mich so beeindruckt, dass ich damals zu meiner Crew gesagt habe „Hey Leute, nächstes Jahr wäre mein 20-jähriges Jubiläum, sollen wir nicht zum Spaß einfach noch mal mitmachen?“ Und mein inneres Gefühl dazu war einfach eben dieses Erlebnis in Liverpool. Zu sehen, was das mit den Menschen macht. Das habe ich nämlich damals 2004 nicht wirklich realisieren können, weil man als Teilnehmer bzw. Teilnehmerin so unglaublich eingebunden ist, schon die Wochen davor und vor allem während der Veranstaltungstage, dass man von diesem Gefühl drum herum eigentlich nichts mitbekommt. Also Liverpool ist schuld, dass ich dieses Jahr noch mal dabei bin.

Da stimme ich dir voll und ganz zu. Obwohl es ein Wettbewerb ist, verbindet der ESC Menschen! Aber du bist nicht nur ein ESC-Profi, du hast u. a. auch beim BuViSoCo, The Masked Singer und dem Free ESC mitgemacht. Hilft dir die Wettbewerbserfahrung deiner Meinung nach beim Vorentscheid?

Also dazu muss ich sagen, ich bin kein ESC-Profi! Überhaupt nicht. Ich habe damals mitgemacht, weil es die logische Konsequenz der Monate davor war. Die „Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star“ Talentshow, SSDSGPS, hat ja zum Ziel gehabt, jemanden zu finden, der dann mit seinem Song in die Charts kommt und sich darüber hinaus qualifiziert für den Vorentscheid in Berlin. Ich weiß, dass damals das erste Mal dieses Reglement bestand, dass die deutsche Bevölkerung so zu sagen mitentscheiden konnte, wer zum Grand Prix fährt, durch diesen Vorentscheid. Nur etablierte Künstler durften da mitmachen und da habe ich dann mitmachen dürfen und durfte auch noch nach Istanbul fahren, aber das macht mich nicht zum Profi. Vor allem ist es eigentlich nicht die Veranstaltung gewesen, zu der Zeit, in der ich mich gesehen hätte. Trotzdem ist die Erfahrung solcher Veranstaltungen eigentlich schon sehr cool, weil man schon so ein bisschen weiß, was alles drum herum passiert. Auf der anderen Seite setzt es einen natürlich auch unter Druck, mich persönlich, weil ich weiß, wie ehrgeizig ich bei solchen Veranstaltungen werde. Also man hätte mich mal hinter den Kulissen bei Masked Singer erleben müssen oder beim Bundesvision Song Contest oder auch beim Free ESC, als ich in der Corona-Zeit als Astronaut für den Mond angetreten bin. Ich merke dann schon, dass ich das gewinnen will und das machts dann nicht einfacher. Jetzt im Moment bin ich noch sehr entspannt, aber lasst mich mal in die Hallen da reingehen, allein beim Vorentscheid schon. Da gehts dann ganz anders in mir drin ab. Die Leute sagen immer, nach außen hin würde ich sehr cool wirken und sehr entspannt, aber innerlich siehts dann doch schon anders aus. Ich glaube, die einzige Erfahrung, die man da nutzen kann ist, dass man eben weiß, dass man wahnsinnig viel Backstage einfach sitzt und wartet und dass da ganz viele Süßigkeiten stehen, die man nicht in sich hineinstopfen sollte. Das ist, glaube ich, die größte Errungenschaft der Erfahrungen.

Für diese Erkenntnis haben sich die Shows doch schon gelohnt! Was viele gar nicht wissen, der ESC ist ja in erster Linie ein Songwriter-Wettstreit. Welchen ESC Song hättest du gerne geschrieben und warum?

Also einer der Songs, die mich am meisten beeindruckt haben, in den letzten Jahren, war tatsächlich von Tom, also Conchita Wurst. Mittlerweile ein Freund bzw. Freundin von mir. Wir verstehen uns wahnsinnig gut. Ich hatte sie zu Gast bei meiner Show „Lebenslieder“ und wir haben da zusammen gesungen und ich mag einfach ihre Stimme, ich mag einfach den Charakter, die Art, wie sie mit Leuten umgeht, das war einfach fantastisch. Aber auch gerade ihr Beitrag „Rise like a Phoenix“ ist natürlich ein Song, der konnte nur gewinnen, weil dieser Song an sich, ohne die Geschichte drum herum, ohne Conchita, schon so eine großartige Nummer ist. Sie erinnert natürlich an James Bond irgendwo. Es hätte auch einfach ein Song sein können, für einen großen James Bond Film und das ist ja eh eine Art von Musik, die ganz viele Menschen begeistert und bewegt und ja, das ist für mich ein tierischer Song. Ich muss auch einen Song noch erwähnen, der sehr viel älter ist, von einer Frau, die leider schon gestorben ist, und ich durfte sie am Anfang meiner Karriere kennenlernen, Joy Fleming mit dem Song „Ein Lied kann eine Brücke sein“ und ich dachte immer, dass dieser Song gewonnen hat, aber ich glaube, es war nur Platz 17 und trotzdem ist es für mich ein Gewinnersong, vor allem wie Joy Fleming damals gesungen hat. Das war einfach auch echt beeindruckend! Ich guck mir dieses Video ab und zu mal an, weil ichs so toll finde, sie in diesen aktiven Jahren noch mal mitzuerleben und zu sehen, also ich durfte sie noch kennenlernen, auch ein großartiger Song. Wenn man die Grand Prix Geschichte mit all ihren wahnsinnig vielen hunderten Songs mal anschaut, da gibt es unendlich viele Songs, die mir überhaupt nicht gefallen und gleichzeitig unendlich viele Songs, die ich total beeindruckend finde. Aber ich habe das Buch zum Grand Prix gelesen, es gibt ein ganz tolles Buch, wo alle Jahre aufgezählt sind und alles beschrieben und erklärt ist und die Besonderheiten der jeweiligen Jahre erklärt sind. Boah, ich habe den Überblick verloren, muss ich ehrlich sagen, deswegen: Conchita Wurst und auch Joy Fleming!

Sich nicht als ESC-Profi sehen, aber ganze Bücher über den Contest lesen, das gefällt mir! Aber von anderen Songs hin zu deinem eigenen: Worum geht es in „Forever Strong“?

Als ich in Liverpool war, habe ich das Gefühl gehabt, ich weiß ganz genau, wie ein Song klingen muss, damit er beim Grand Prix wahrscheinlich ganz gute Chancen hat. Es muss Pathos haben, es muss eine Massage haben, ich war davon überzeugt, deswegen habe ich ihn auch auf Englisch geschrieben, dass es sinnvoll wäre, man schreibt ihn auf Englisch, da doch die allermeisten Menschen in Europa englisch verstehen. Deswegen wars für mich auch wichtig, einen Text zu schreiben, den man auch versteht, auch wenn man nur in der Schule Englisch hatte und jetzt nicht wahnsinnig gut Englisch spricht, aber dass man so einzelne Schlagworte drin hat, die die Menschen auch nachvollziehen können. Und wie gesagt, mich hat der Grand Prix in Liverpool so beeindruckt durch seine Toleranz und Diversität und das friedliche Miteinander. Und da habe ich gedacht „Es geht doch!“, wir haben doch alle universelle Menschenrechte in unserem Herzen, die unbestreitbar sind und die auch alle Menschen von klein auf total verstehen können und erst die soziale Prägung und die Hetze und die Spaltung in der Gesellschaft bringt die Menschen dann dazu, diesen Werten nicht mehr treu zu folgen, sondern dann eben rassistisch, antisemitisch zu sein, homophob zu sein, intolerant allem und jedem gegenüber, der nicht ganz genauso tickt und denkt, wie man selber es für richtig hält. Und ich habe einfach gemerkt, auch durch die Corona-Zeit und durch diese Kriege, die uns jetzt um die Ohren fliegen, von denen wir jeden Tag schreckliche Bilder erhalten, es wird im Netz wahnsinnig viel Hetze betrieben, es gibt mittlerweile KI-gesteuerte Bots, die die Menschen aufstacheln, gegeneinander und es ist alles andere als tolerant und freundlich und da fällt es den Menschen schwer, stark zu bleiben, das ist aber das Einzige, was wir machen können. Wir können in dieser Gesellschaft ein Teil sein und müssen versuchen, im Herzen immer stark zu bleiben, damit wir als Leuchttürme für unser Umfeld gelten, weil das ganz, ganz viel bewirkt. Ich sehe das an Freundinnen und Freunden von mir, die so toll und cool und entspannt sind, dass das Umfeld um diese Menschen herum immer ein ganz helles und ein warmes ist. Auch wenn man das Gefühl hat, man scheitert immer wieder mit seinen Ansprüchen, bleibt dann doch auch was draußen in der Welt, von dem, was man ausstrahlt. Und das Video, was wir dazu gedreht haben, zeigt das ganz gut.

Kannst du kurz umreißen, worum es darin geht?

Man sieht mich da einen Kaplaturm aufbauen, der am Ende auch einstürzt, aber beim letzten Bild sieht man, dass der Turm draußen in der echten Welt steht und irgendwie ist das ein Sinnbild dafür, dass auch wenn man selber das Gefühl hat, man scheitert ab und zu, es bleibt was von den Anstrengungen, diese Welt zu einem schöneren und helleren Ort zu machen.

Song und Video mit einer ganz großen und wichtigen Botschaft! Aber wie wirst du das auf die Bühne bringen? Ich weiß, man darf im Vorfeld nie zu viel verraten, aber beschreibe deinen Auftritt doch bitte in drei Worten.

Das wird schwierig. Ich versuche mir treu zu bleiben, das heißt, ich werds sehr reduziert machen, ich werde wahrscheinlich alleine auf der Bühne stehen und ich will, dass die Stimme ganz oben steht und für sich spricht.

Stell dir vor, du hast gerade den deutschen Vorentscheid zum zweiten Mal gewonnen, was machst du als erstes?

Leute, ich habe mich schon ein paar Mal gewinnen sehen, ich klappe da immer zusammen oder mache irgendwas, was ich nicht mehr steuern kann. Ich sehe aus wie ein Honk und springe durch die Gegend und bin absolut nicht mehr Herr meiner Sinne und meiner Körperbewegungen. Also ich entgleise da immer, weil diese Anspannung sich über diese Tage so krass aufbaut, dass ich ganz genau weiß, in dem Moment und wie gesagt, ich habe ein paar Veranstaltungen erleben dürfen, wo das dann genau so war, da platzt alles raus. Also ich würde mich über diesen Moment natürlich unglaublich freuen, darf mich aber noch nicht zu arg reinsteigern, weil sonst die Enttäuschung dann immer riesig ist. Ich kann nur sagen, als Künstler, als Künstlerin öffnet man sich immer, wenn man auf der Bühne steht. Man öffnet sein Herz und ist ganz, ganz angreifbar. Und wenn man dann nicht gewählt wird, wenn man dann weniger Punkte bekommt und andere einen deutlich überholen, zum Beispiel, dann ist das schon so ein bisschen wie eine richtige Kritik oder so ein kleiner Angriff aufs Herz und wie gesagt, man ist ungeschützt in dem Moment und deswegen ist das „Nicht gewinnen“, zumindest für mich, gar nicht so einfach, glaube ich. Aber ich muss mich natürlich damit auseinander und nach zwei, drei Tagen hat man das dann auch weggesteckt.

 Nochmal eine tolle Botschaft zum Schluss, die allen noch einmal zeigt: Kritik an den Acts, den Songs, den Auftritten, alles schön und gut, aber vergesst nicht: Dahinter stehen Menschen, die mit ganz viel Herzblut diese Kunst erschaffen. Auch hier hat Hass und Hetze keine Bühne verdient!

Lieber Max, vielen Dank für das Interview! Ich wünsche dir viel Erfolg und vor allem viel Spaß bei der Fortsetzung deiner ESC-Reise!

Wer sich nun fragt, was ein Kaplaturm ist, der muss unbedingt einen Blick in das Video zum Song „Forever Strong“ werfen. Aber auch ohne diese Frage lohnt es sich, sich den Clip und den dazugehörigen Song anzusehen und anzuhören:

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