Den krönenden Abschluss in meiner Rubrik „Teilnehmer“ machen die deutschen Vertreterinnen des diesjährigen ESCs. Das Duo S!sters tritt mit dem Song „Sister“ in Tel Aviv an und nicht nur ich finde die Ableitung des Namens furchtbar unkreativ, auch viele Fans amüsieren sich über den einfallslosen Bandnamen. Dann noch dieses „!“, das P!nk bereits vor vielen Jahren benutzte, als sie noch mit rosa gefärbten Haaren kleine Girlies oder bärtige „Prinzessinnen“ wie mich ansprechen wollte. Aber nicht nur darüber wird gelacht, Spott erntete der NDR auch dafür, dass das Lied bereits im Schweizer Auswahlverfahren dankend abgelehnt wurde. Wenigstens unsere Nachbarn haben in diesem Jahr den richtigen Riecher bewiesen. So, jetzt denkt man: „Wow, das ist schon alles recht peinlich.“ Aber das reicht dem NDR noch nicht aus. Stattdessen machen sie lieber eine Arschbombe in den Fettnapf und pressen das Retorten-Duo, samt vorgegebenem Lied kurzfristig in die Sendung „Unser Lied für Israel“. Was da wohl die anderen sechs Teilnehmer_innen dachten, die wochenlang an guten Songs feilten, sich gegen zig andere Künstler_innen in mehreren Runden durchsetzen mussten und kurz vorm Ziel standen!? Aber wenigstens in der Liveshow galt dann: Gleiches Recht für alle! Oder doch nicht? Nicht so ganz. S!sters bekamen dann noch den durchaus begehrten letzten Startplatz, anderen Teilnehmern strich man kurzfristig die Tänzerinnen und um auf Nummer Sicher gehen zu können, setzte man noch einen Fachjuroren ein, der schon lange mit einer der beiden „Schwestern“ zusammen arbeitete. Gut, man kann sagen: „Alles Verschwörungstheorien“ oder „Herr Strate stand als Juror schon lange fest.“ oder „Ich möchte mit dem Mythos aufräumen, dass hintere Startplätze besser sind.“ oder „Wir haben von Anfang an gesagt, dass noch weitere Künstler dazu kommen können.“ oder oder oder. Aber man kann auch sagen: „Warum bietet der NDR, nach einem überraschend guten Platz im letzten Jahr, nun wieder allen so viel Angriffsfläche?!“ Der NDR schadet damit erneut dem Ruf des ESCs, der in Deutschland ohnehin nicht sonderlich gut ist. Nach dem Motto: Komm wir gießen noch ein wenig Öl ins Feuer der Dumpfbacken, die die öffentlich Rechtlichen ständig kritisieren und sich darüber beschweren, dass eine Veranstaltung wie der ESC ihre Gebühren frisst, sich aber keine Gedanken darüber machen, wie viele Steuergelder für ihre geliebten Fußballspiele draufgehen. Fernsehgebühren, Polizeieinsätze, Aufräumarbeiten, usw.
Naja, ich schweife ab. Zurück zum Duo. S!sters konnten mich live in Berlin nicht überzeugen. Ich fand das Ergebnis so enttäuschend, dass ich sogar noch vor dem Gewinnerauftritt das Studio verlassen habe. Die Stimmen gefielen mir nicht und tuen es noch immer nicht. Meiner Meinung nach passen sie auch nicht zusammen. Das Lied fängt gut an, ist aber alles in allem unfassbar langweilig und kein bisschen eingängig. Nach dem ersten Part, der immer schneller wird, wartet man auf einen Knall, stattdessen wirds ruhig und langsam. Warum?! Aber selbst, wenn es lauter wird, überzeugt es nicht, weil die beiden Sängerinnen nur noch schreien. Schrecklich! Ich schaffe es auch einfach nicht, mir das Lied schön zu hören. Das hatte ich bei einem deutschen Beitrag schon sehr lange nicht mehr. Selbst das Bühnenoutfit und das Staging fand ich einfach nur schlecht. Klar, die Story von Frauen, die sich gegenseitig unterstützen sollen, statt sich anzufeinden ist ja ganz nett, aber diese seichte Nummer als Feminismus-Hymne zu bezeichnen ist eine Frechheit! Feminismus ist es, wenn Frauen es gar nicht nötig hätten, sich gemeinsam gegen die Männerwelt zu verbünden. Feminismus ist es, wenn Frauen andere Frauen auch mal scheiße finden dürfen, ohne gleich eine „Zicke“ zu sein. Feminismus ist es, wenn man bei so einem billigen Lied nicht an Feminismus denkt!
Abgesehen davon, kommt die Geschichte im Ausland gar nicht an. Ich weiß nicht, wie oft ich den Satz gelesen habe „Ach, die beiden sind gar keine Schwestern?!“ Nein, sind sie nicht. Sie waren zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht Mals Freundinnen, da sie sich da noch gar nicht wirklich kannten. Wenn man schon die ach so tolle Story vermarkten möchte, dann bitte authentisch. Denn genau das war der Schlüssel zum Erfolg von Michael Schulte, nicht die Story an sich.
Aber scheinbar hat der NDR schon erkannt, dass das Projekt gescheitert ist. Kletterte Deutschland in den Wetten noch auf Platz fünf, als alle Lieder des Vorentscheids veröffentlicht wurden, kam es nach der Wahl zum freien Fall. ESC Fans aus allen Ländern waren entsetzt über die Entscheidung. In jedem größeren Ranking landen sie maximal im Mittelfeld. Und die deutschen Charts verfehlten sie zu allem Überfluss auch noch. All das führte vielleicht dazu, dass S!sters noch nicht einmal ein Musikvideo bekommen und kaum vermarktet werden. Vielleicht sollte der NDR gedanklich schon mal 2021 planen und dieses Jahr abhaken, möglicherweise wird es dann kommendes Jahr wieder besser.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ich in keinster Weise die beiden Sängerinnen kritisieren möchte. Sie sind wirklich sympathisch und machen ja auch nur ihren Job. Sie bekamen das Angebot und haben es genutzt. Nachvollziehbar und richtig. Ich wünsche ihnen viel Erfolg in Tel Aviv und selbst wenn sie vielleicht ganz unten in der Liste landen werden, haben sie hoffentlich eine tolle Zeit und eine großartige Erfahrung.