Nach der ESC-Absage 2020 haben viele Länder ihre Vertreter_innen erneut nominiert, damit diese doch noch auf der Bühne der größten Unterhaltungsshow der Welt stehen dürfen. Somit standen die ersten Künstler_innen für den Eurovision Song Contest so früh wie nie zuvor fest. Dennoch bleibt die ESC-Blase der (zugegebenermaßen noch jungen) Tradition treu, indem sie mit der Vorentscheid-Saison in Albanien startete.
Am 23. Dezember wählte Albanien in der 59. Ausgabe des „Festivali i Këngës“, das jedoch erst seit 2003 als Vorentscheid dient, nicht nur seine Vertreterin, sondern auch das dazugehörige Lied. Somit haben wir den ersten Gesamt-Act für die Show im Mai gefunden.
Die 34-jährige Anxhela ist in Albanien alles andere als unbekannt. Mehrere Preise und zahlreiche Auftritte sind in ihrer Vita zu finden. Bereits 2001 nahm sie mit dem Lied „Vetëm ty të“ am Festivali i Këngës teil, konnte sich hier jedoch nicht durchsetzen. Nun, 19 Jahre später, ging sie als glückliche Gewinnerhin aus der Show hervor. Der Publikumsliebling… Oh, Moment. Ach, ist sie gar nicht? Ach so, Inis und Era waren die Favoriten!? Aber wie konnte sie dann gewinnen?
Ganz einfach: Indem man eine 7-Köpfige Jury ganz alleine entscheiden lässt. Komplett ohne Publikumsentscheid. Aber warum macht man dann einen 3-tägigen TV-Vorentscheid? Gegenfrage: Warum nicht?
Der ESC-Fan ist in diesem Jahr so leidgeprüft, dass er selbst das dankend hinnimmt.
Coronabedingtes Open-Air
Aufgrund der Corona-Regelungen musste die Show auf dem Sheshi Italia stattfinden. Hierbei handelt es sich um einen Platz in Albaniens Hauptstadt. Da die TV-Sendung somit unter freiem Himmel produziert wurde, war das albanische Fernsehen natürlich vom Wettergott abhängig, was wiederum dazu führte, dass die drei Shows voraufgezeichnet wurden. Lediglich die Verkündung der Gewinnerin war live. Warum das so gehandhabt wurde, ist mir jedoch schleierhaft, wenn das Publikum sowieso nicht mitreden durfte? Außerdem verzichtete man auf ein Orchester.
Aber nach all den eurovisionären Rückschlägen des Jahres, ist ein spektakulärer 3-tägiger ESC-Vorentscheid trotz allem ein absolutes Highlight. Wenn so etwas in der aktuellen Lage nur vorproduziert und ohne Orchester möglich ist, dann ist das eben so. Mein ESC-Herz hüpfte auf jeden Fall drei Tage lang vor Freude.
Abwechslungsreiche Show mit verstörenden Kostümen
Insgesamt war die Show abwechslungsreich. Zahlreiche tolle Sänger_innen präsentierten Balladen, Popsongs und seichte Nummern mit französischem Flair. Nur eins hatten alle Beiträge gemeinsam: den mittelmäßigen Song. Das beste Lied des Abends war das Evanescence-Cover als Interval Act, auch wenn mich hier die fragwürdige Kostümierung der Fahnenträger, die auch die Show eröffnen durften, irritierte. Warum diese weißen, spitzen, kapuzenähnlichen Kopfbedeckungen? Aber nicht nur das beste, auch das schlechteste Lied war ein Lückenfüller. Gefühlt wurde hier nämlich zehn Minuten lang „Lalala“ gesungen und wie wir alle wissen, darf so etwas nur Serhat.
Die KKKostüme (hust) der Fahnenträger waren übrigens nicht die einzigen Fehltritte der Kostümbildner_innen. Barbara Dex hätte bei dieser Show ihre wahre Freude gehabt. Wir hatten einen arabischangehauchten Glitzer-Bauchtänzer in zu kleiner Jacke, die farblich nicht ansatzweise zur Hose passte. Eine Künstlerin in (zu)engem goldenen Stoff gehüllt und ein schwarz-weißes Etwas, um nur mal meine Highlights zu nennen.
Sängerin: Top – Song: Flop
Wie gefühlt jedes Jahr, wählte Albanien (bzw. die Jury), wieder eine stimmgewaltige junge Sängerin. Dies beweist sie schon mit dem ersten Ton des Liedes. Gefolgt von Knaller-Momenten, die einen echten „Banger“ erwarten lassen. Man wird dann aber jäh enttäuscht, denn es folgt eine seichte Langeweile. Lediglich die Stimme beeindruckt, wenn sie die Töne kraftvoll in die Länge zieht.
Mit Albanien ist es bei mir ohnehin immer so: Ich bewundere die Künstler_innen für ihren grandiosen Gesang, finde das Konzept (Song-Auftritt-Outfit-Künslter_in) meist sehr stimmig, aber das Lied in der Regel schwach. Somit landet Albanien immer ganz weit unten in meiner Liste. Dieses Jahr gefällt mir der Song zwar etwas besser als sonst, aber mein Favorit im (schwachen) Lieder-Reigen war es nicht.
Anxhela wird ihr Heimatland in der zweiten Hälfte des zweiten Halbfinales vertreten. Ob der Beitrag stark genug sein wird, um ins Finale einzuziehen, wage ich zu bezweifeln. Andererseits wissen wir noch nicht, wie stark die Konkurrenz sein wird, aber überzeugen kann mich „Karma“ leider nicht wirklich.
Was sagt ihr zu Anxhela Peristeri und ihrem Song für den ESC 2021?