Seit gestern bin ich stolzer Besitzer des ersten Albums von Lilly Among Clouds. „Aerial Perspective“ repräsentiert Lilly perfekt und liefert genau das, was man von ihr erwartet, was nicht heißen soll, dass es wenig überraschend ist. Viel mehr würde ich sagen, sie hat es schon bei ihrem Debüt geschafft, ihre ganz persönliche Note zu finden. „Aerial Perspective“ ist vermutlich das beste Erstlingswerk, das ich kenne. Ein wirklich großartiges Album, dessen Kauf sich unbedingt lohnt.
Jedes einzelne Lied ist perfekt produziert und extrem gut arrangiert. Das Klavier, als vorherrschendes Instrument, ist gekonnt eingesetzt und unterstütz ihre Stimme bei jedem einzelnen Song. Wer Lilly Among Clouds hört, rechnet nicht mit spaßigen Popnummern, daher wirkt die Schwere der Lieder nicht belastend. Lilly erfüllt auch hier das, was man von ihrem Album erwartet. Tiefgängige, schwere, gefühlvolle und bewegende Musik, die man nicht mal eben so nebenbei beim Autofahren hört. Hier will man genau hinhören, Neues entdecken, in der Musik versinken, sich voll und ganz darauf konzentrieren.
Schon das erste Lied „Everyone Else“ erinnert stark an ihren ULfI Song, auf Grund des ähnlichen Aufbaus. Lillys tiefe und spezielle Stimme steigert sich im Laufe des Liedes und wird von Ton zu Ton kräftiger. Wirkt das Lied zu Beginn noch sehr zurückhaltend und sanft, wird es mit der Zeit immer kräftiger. Richtig gut gefällt mir der Moment, wenn sie in eine Art Sprechgesang verfällt und der Gesang so an Geschwindigkeit zunimmt.
Bei „The Only One“ spielt sie gekonnt mit dem Wechsel von tiefen und hohen Tönen. In den Strophen kommt ihre tiefe Stimme zur Geltung, während sie im Refrain in eine höhere Tonlage wechselt, untermalt von einem Echo. Besonders stark ist dann der letzte Refrain, den sie komplett ohne instrumentale Begleitung singt.
„Long Distance Relationship“ hat einen richtig guten Aufbau. Erst startet die Melodie ganz leise, zusammen mit ihrer Stimme setzt dann auch eine Drum, die den sanften Gesang kontrastiert. Dann folgt ein Klatschen, bevor dann die instrumentale Begleitung immer voluminöser wird. Dann folgt ein Cut und der Aufbau beginnt von vorne. Drums, sanfte Stimme, Klatschen. Und entgegen des Textes „…stop, stop, stop, stop, stop, stop the moment…“ wünscht man sich, dass dieses Lied nicht so schnell endet.
In „Listen to your Mama“ spielt sie erneut mit Kontrasten. Das Lied beginnt mit einer recht fröhlich wirkenden Musik (was auf der CD total hervorsticht), der im Folgenden die Zeilen „Any any Trouble, life can be hard…“ entgegengesetzt wird. Die sphärischen Klänge und das mantraartige „any any Trouble“ ziehen einen förmlich in das Lied. Der Refrain reißt einen dann wieder raus, wenn es lauter schneller und wilder wird. Ein spannender Wechsel, der das Lied zum auffälligsten Song des Albums macht.
Auch „Awake“ erinnert ein wenig an „Surprise“. Nicht nur der Aufbau ist ähnlich, hier kommt auch das Besondere in ihrer Stimme klar zum Ausdruck. Sehr spannend ist hier zu sehen bzw. zu hören, wie vielseitig ihre Stimme ist. Hoch, tief, rau, klar, zerbrechlich, stark. So viele Fassetten. Sehr beeindruckend.
„Keep“ könnte auch ein Adele-Song sein, nur das Lilly meiner Meinung nach die spannendere und speziellere Stimme hat. Das sehr hohe und mit Hall versehene „Keep“ in Refrain bleibt sofort im Ohr und im Gedächtnis.
Bei „Like a Bombshell“ kommt Lilly zu Beginn des Liedes komplett ohne Instrumente aus, erst im Laufe des Liedes setzen langsam immer mehr Instrumente ein. Das Lied wird quasi vor unseren Augen/Ohren aufgebaut. Interessant, aber trotz der Schönheit des Liedes, das unspannendste Lied des Albums.
Bei „Your Hands Are Like Home“ gefällt mir besonders gut, wie sie ihre Stimme und ihren Gesang immer wieder, wie mit einer Loopmaschine, übereinander legt.
„Mother Mother“ beginnt so unfassbar gut. Auch hier wurde ihre Stimme in einem mehrstimmigen Gesang übereinander geschichtet. Es erinnert zu Beginn an einen Kirchenchor, dann setzt ihre starke und klare Stimme ein und im Refrain folgt dann wieder der Chorgesang, der durch Drums eingeleitet wird, die beim Einsetzen des Gesangs verstummen. Eine sehr spannende und eindrucksvolle Komposition.
„Remember Me“ hat für Lilly eine untypische Leichtigkeit, was durch den schnellen Takt und dem Wechsel in die Kopfstimme im Refrain unterstützt wird. Hier musste ich schon beim ersten Hören Mitwippen, das typisch deutsche neben-den-Takt-klatschen konnte ich nur schwer unterdrücken.
Den Abschluss macht „Blood & History“. Sanfte Klänge, die Lillys Stimme nur dezent untermalen. Der Fokus liegt hier ganz klar auf ihrem Gesang, bei dem Sie wieder eindrucksvoll beweist, wie stark sie sowohl in den hohen, als auch in den tiefen Tönen ist.
Das einzige, was mir an der Platte nicht gefällt, ist die Tatsache, dass Lilly Among Clouds damit nicht zur erfolgreichsten Künstlerin des Landes wurde. So viel Potential darf nicht im Underground versinken. Diese Frau ist eine Perle der deutschen Musikindustrie und ich hoffe, wir werden noch sehr viel von ihr hören.